Als kunstpraktische Personal Brand Coach und Empowerment-Künstlerin habe ich in letzter Zeit einen Begriff immer wieder gehört: Leichtigkeit im Coaching. Gerade für uns kreative, sensible Unternehmerinnen klingt die Vorstellung verführerisch, Veränderungen könnten sich ganz mühelos einstellen. Doch so angenehm Leichtigkeit im Coaching auf den ersten Blick erscheinen mag, habe ich bisher erlebt, dass dieses Ideal häufig in die Irre führt. Im Folgenden zeige ich – aus meiner Perspektive als Mentorin, Künstlerin und feministische Coachin – drei Gründe auf, warum das Heilsversprechen der Leichtigkeit im Coaching kritisch zu hinterfragen ist.

Grund 1: Tiefe statt Oberflächlichkeit – echte Entwicklung braucht Unbequemlichkeit

Viele Coaching-Programme propagieren Leichtigkeit als oberstes Ziel: Veränderungen sollen sich bitte schön ohne größere Anstrengung einstellen, negative Gefühle möglichst umgangen werden. Doch wirkliche Transformation gedeiht nicht in einer komfortablen Blase. Wachstum bedeutet, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen – und das ist nicht immer “leicht”. Im Gegenteil: Echte Tiefe in der persönlichen Entwicklung entsteht oft erst, wenn wir bereit sind, Unbequemes zuzulassen. Die amerikanische Autorin Brené Brown, bekannt für ihre Arbeiten zu Verletzlichkeit, bringt es treffend auf den Punkt: “Man kann sich für Mut entscheiden oder für Bequemlichkeit, aber man kann nicht beides haben.”

Mit anderen Worten: Wer immer nur auf Leichtigkeit setzt, verpasst die Chance, durch mutige Ehrlichkeit zu sich selbst zu wachsen. Radikale Ehrlichkeit und Verletzlichkeit erfordern zwar mehr Mut als oberflächliche Positivität, führen aber zu tieferen Erkenntnissen und authentischerem Wachstum. Aus meiner bisherigen Erfahrung ist es gerade dieser Prozess der ehrlichen Selbstreflexion, der kreative Frauen dabei unterstützt, ihre wahre Identität – etwa ihre Künstleridentität neu zu entdecken – und eine stimmige Marke zu formen. Um wirklich eine authentische Brand Personality zu entwickeln, dürfen wir uns mit unseren Ecken und Kanten zeigen, anstatt uns hinter ständigem Gut-Drauf-Sein zu verstecken.

Diese Tiefe ist eng mit Verletzlichkeit verknüpft. Wer sich erlaubt, auch schwierige Emotionen zu fühlen und zu kommunizieren, schafft Raum für echtes Wachstum. Was im ersten Moment schwer oder “unleicht” erscheint, wird langfristig zur Quelle von Kreativität und Verbindung. Wir alle kennen das im künstlerischen Schaffensprozess: Wahre Kunst entsteht selten aus purem Leichtgefühl, sondern oft aus der Auseinandersetzung mit dem vollen Spektrum der Gefühle – Licht und Schatten. Wenn im Coaching nur Leichtigkeit erwünscht ist, bleibt dieses Spektrum ungenutzt. Dann kratzt man an der Oberfläche, statt in die Tiefe zu gehen. Langfristig beraubt man sich so der Möglichkeit, robuste innere Ressourcen aufzubauen.

Mut, Authentizität und Selbstmitgefühl entwickeln sich eben, indem wir auch durch unbequeme Phasen gehen. Wer dagegen Schwierigkeiten unter den Teppich kehrt, weil sie nicht “leicht” sind, läuft Gefahr, sich in einer oberflächlichen Positivität zu verlieren, die wenig tragfähig ist, wenn das Leben uns vor echte Herausforderungen stellt.

Grund 2: Das Diktat der Leichtigkeit fördert Stillstand – Wachstum braucht Herausforderungen

Ein weiterer Grund, warum Leichtigkeit im Coaching in die Irre führen kann, liegt in der Psychologie des Lernens und der persönlichen Entwicklung. Die Vorstellung, dass alles stets leichtgehen sollte, fördert unbewusst eine statische Haltung. Die Psychologin Carol Dweck unterscheidet zwischen Fixed Mindset (statisches Selbstbild) und Growth Mindset (dynamisches Selbstbild). Personen mit einem statischen Mindset glauben, dass Fähigkeiten angeboren und unveränderlich sind – und neigen dazu, Herausforderungen aus dem Weg zu gehen und sofort aufzugeben, sobald es schwierig wird.

Anders formuliert: Wer denkt, Erfolg müsse sich ohne große Anstrengung einstellen, meidet tendenziell Situationen, in denen er sich anstrengen oder scheitern könnte. Der vermeintliche Anspruch der Leichtigkeit verstärkt also ausgerechnet das, was Fortschritt verhindert: Versagensangst und frühzeitiges Abbrechen. Nicht umsonst habe ich in meinem Blogbeitrag „Versagensangst als Innovationsbremse“ darüber geschrieben, wie die Angst vor dem Scheitern uns davon abhält, Neues auszuprobieren und zu wachsen. Wenn wir glauben, dass alles immer leicht sein sollte, fühlen wir uns beim ersten Gegenwind als Versagerinnen – und ziehen uns zurück, statt dranzubleiben.

Die wachstumsorientierte Denkweise nach Dweck hingegen embracet Herausforderungen und sieht in Anstrengung einen Weg zum Können. Wachstum passiert außerhalb der Komfortzone: Wir lernen am meisten, wenn wir etwas nicht sofort können und dennoch beharrlich weiterüben. Kreative Unternehmerinnen kennen das vom eigenen Werdegang – ob beim Erlernen einer neuen Technik, dem Entwickeln eines Produkts oder dem Aufbau des Business: Anfangs ist vieles schwer und chaotisch. Doch gerade indem wir diese Anfangshürden überwinden, machen wir Fortschritte und entdecken neue Möglichkeiten.

Leichtigkeit im Coaching darf daher nicht bedeuten, dass alles ohne jede Anstrengung ablaufen muss. Vielmehr geht es darum, eine spielerische, lernbereite Haltung einzunehmen. Leicht im Sinne von verspielt – ja, gerne! Aber nicht leicht im Sinne von “ich bleibe nur in sicheren Gefilden”. Denn wer immer auf die leichte Route setzt, wird niemals die Aussicht vom Gipfel genießen.

Statt Angst vor dem Scheitern zu haben, können wir lernen, Fehlversuche als Teil des Prozesses zu sehen. Ein Growth Mindset lebt davon, dass Fehler und Schwierigkeiten als Lernchancen begriffen werden. Jede Herausforderung, die wir meistern – und sei es nach ein paar Anläufen – gibt uns mehr Selbstvertrauen und Kompetenz. Diese Erfahrung echter Selbstwirksamkeit ist tausendmal wertvoller als ein künstlich konfliktfreier Weg. Deshalb: Coaching sollte uns ermutigen, Herausforderungen anzunehmen, statt uns mit der Illusion zu locken, der Weg zur Veränderung wäre stets mühelos.

Grund 3: Toxische Positivität – wenn „Leichtigkeit“ zum Druck wird

Schließlich birgt das Dogma der ständigen Leichtigkeit die Gefahr der toxischen Positivität. Damit ist dieses gesellschaftliche Phänomen gemeint, bei dem negativer Stress oder Kummer ständig weggelächelt werden sollen – “Good Vibes Only” um jeden Preis. Was ursprünglich als gut gemeinte Fokussierung auf das Positive beginnt, kann ins Gegenteil umschlagen. Psychologische Studien zeigen, dass eine übertriebene Betonung von Glück und Leichtigkeit paradoxe Effekte haben kann. So erlebten Probandinnen, die Glück für besonders wichtig hielten, am Ende weniger Glücksgefühle, weil sie enttäuscht von sich selbst waren.

Mit anderen Worten: Je mehr wir uns zwingen, immer glücklich und leicht zu sein, desto stärker spüren wir das Versagen, wenn uns das natürlich nicht ständig gelingt. Übersteigerter Optimismus kann Druck erzeugen – und Druck erzeugt Frust. Statt frei durchzuatmen, fühlt man sich wie in einem Dauergrinsen gefangen.

Gerade für uns Frauen kommt hier oft noch ein gesellschaftlicher Aspekt hinzu. Von klein auf lernen viele von uns (bewusst oder unbewusst), „brav“ und angenehm zu sein: nur nicht wütend wirken, immer schön lächeln. Dieses Muster setzt sich im Coaching- und Selbsthilfe-Bereich als subtile Erwartung fort: Wir sollen jederzeit positiv, produktiv und perfekt optimiert auftreten. Doch dieser ständige Selbstoptimierungsdruck ist ungesund. Er führt dazu, dass wir unangenehme Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer unterdrücken – Emotionen, die aber menschlich und wichtig sind.

Forschung bestätigt, dass das Unterdrücken negativer Gefühle diese nicht verschwinden lässt, sondern oft noch verstärkt. Unerwünschte Emotionen “wegzuatmen” mag kurzfristig als Strategie verkauft werden, aber langfristig kostet es uns Energie und Authentizität. Wer immer nur auf Leichtigkeit pocht, vermittelt indirekt die Botschaft, dass etwas nicht mit uns stimmt, sobald wir uns mal schlecht fühlen. Das Resultat: Man fühlt sich alleine mit seinen vermeintlich “falschen” Gefühlen – ein Nährboden für Scham und innere Blockaden.

Im Gegensatz dazu plädieren viele moderne Ansätze – gerade auch in feministischen Diskursen – für radikale Ehrlichkeit und ein zyklisches Selbstverständnis. Das heißt anzuerkennen, dass das Leben natürliche Hochs und Tiefs hat und wir keine Maschinen sind, die sich linear immer glücklicher schrauben. Als Frau, Künstlerin und Coachin weiß ich: Unsere Kreativität und Innovationskraft blühen gerade dann, wenn wir uns ganzheitlich annehmen – mit starken und mit verletzlichen Momenten. Es braucht Phasen der Reflexion, des Rückzugs und auch mal des Unwohlseins, damit in der nächsten Phase wieder Neues entstehen kann.

Statt uns einzureden, wir müssten ständig glücklich und “leicht” sein, dürfen wir uns erlauben, menschlich zu sein. Authentisches Coaching schafft einen Raum, in dem alle Gefühle da sein dürfen – Leichtigkeit und Schwere. Diese Echtheit nimmt den Druck vom Einzelnen, ständig eine Fassade der Glückseligkeit aufrechtzuerhalten. Letztlich fühlen wir uns freier und verbunden, wenn wir uns in unserer ganzen Bandbreite zeigen dürfen.

Nicht zuletzt ermöglicht uns diese ganzheitliche Sichtweise, wirklich nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Wenn ich als Coach mit meinen Klientinnen arbeite, ermutige ich sie, an die Wurzel ihrer Herausforderungen zu gehen – selbst wenn dort zunächst Unbehagen wartet. Denn nur was wir ehrlich betrachten, können wir auch transformieren. Die oberflächliche Leichtigkeit im Coaching dagegen klebt oft ein Pflaster auf Wunden, die eigentlich heilen wollen. Wirkliche Heilung und Wachstum entstehen, wenn wir hinschauen, durch den Prozess gehen (der auch mal schwer sein darf) und auf der anderen Seite mit neuen Einsichten herauskommen. Das Ergebnis ist dann kein aufgesetztes “Alles ist immer super”, sondern ein belastbares Selbstvertrauen, das auch schwierige Zeiten überdauert.

Fazit

Die Idee, dass im Coaching alles mühelos sein muss, klingt verlockend, erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als trügerisch. Zu viel Fixierung auf Leichtigkeit im Coaching kann echte Tiefe verhindern, unseren Lernprozess abwürgen und in ungesunden Positivitätszwang umschlagen. Das heißt nicht, dass Coaching eine quälende Schwere haben soll – im Gegenteil, natürlich dürfen Leichtigkeit und Freude Teil des Weges sein! Doch sie entstehen organisch, wenn wir uns echten Herausforderungen stellen und authentisch bleiben, anstatt sie krampfhaft herbeizumanifestieren. Als Mentorinnen und Coaches sollten wir daher weniger versprechen, dass alles immer leicht wird, sondern mehr darauf vorbereiten, dass echter Wandel Arbeit bedeuten kann – aber eine Arbeit, die sich lohnt.

Zum Abschluss möchte ich dich ermutigen: Trau dich, die Komfortzone zu verlassen und deine Wahrheit zu erkunden. Du musst den Weg nicht alleine gehen. Wenn du merkst, dass dich das Ideal der ständigen Leichtigkeit eher stresst als stärkt, dann ist es vielleicht Zeit für einen neuen Ansatz. Lass uns gerne in einem unverbindlichen Erstgespräch herausfinden, wie radikale Ehrlichkeit, Kreativität und ein unterstützendes Coaching dir wirklich weiterhelfen können. Denn du darfst alle Facetten zeigen – und genau darin liegt deine Stärke.

Schema - Gründe warum Leichtigkeit im Coaching in die Irre führt. Julia Petutschnig

1. Ist Leichtigkeit im Coaching grundsätzlich schlecht?

Nein, aber sie ist nicht das Ziel. Leichtigkeit kann ein schöner Nebeneffekt sein – doch echte Transformation entsteht durch Ehrlichkeit, Prozessarbeit und auch unbequeme Momente.

2. Was ist toxische Positivität und warum ist sie problematisch?

Toxische Positivität ist der Zwang, immer „gut drauf“ sein zu müssen. Sie unterdrückt echte Emotionen und verhindert tiefgreifende Veränderung. Das erzeugt Druck statt Freiheit.

3. Warum ist radikale Ehrlichkeit gegenüber sich selbst im Coaching so wichtig?

Weil sie beim Coachee Raum schafft für echte Erkenntnisse. Nur wer sich selbst ehrlich begegnet, kann nachhaltig wachsen – als Mensch, Künstlerin oder Unternehmerin.

4. Welche Rolle spielt das Growth Mindset?

Ein Growth Mindset ermutigt dich, Herausforderungen als Lernchance zu sehen. Statt Leichtigkeit zu erwarten, entsteht Wachstum durch Dranbleiben – auch wenn es schwer wird.

5. Was kann ich tun, wenn ich mich vom Leichtigkeitsdruck überfordert fühle?

Erkenne an, dass deine Gefühle berechtigt sind. Hol dir Unterstützung, die dich nicht „wegcoacht“, sondern dich in deiner Ganzheit stärkt – zum Beispiel in einem unverbindlichen Gespräch mit mir.

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